Das große Wegsehen

In Österreich wird Korruption nur aufgeklärt, wenn eine Partei oder ein politischer Gegner eine Kampagne betreibt. Die Institutionen Rechnungshof, WKStA, Finanzprokuratur und Parlament interessieren sich dafür überhaupt nicht, obwohl es zu ihrer gesetzlichen Kernaufgabe zählt.


Demnächst starten in Österreich zwei Untersuchungsausschüsse, in denen sich die Regierungsparteien und die Opposition gegenseitig Korruption vorwerfen werden.
Was dabei zu erwarten ist, wissen alle Österreicher: Jede Partei wird (naturgemäß) versuchen, den Splitter im Auge der anderen zu sehen, aber nicht den Balken im eigenen. Korruption, das sind immer nur die anderen.

In Wahrheit leidet dieses Land aber am meisten unter jener Korruption, in die die ganze Politik, oder zumindest die jeweils dominierenden Parteien, gemeinsam eingebunden sind. Es gibt in Österreich Bereiche der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, in die alle Parteien eingebunden sind, in denen alle Parteien entweder stark drinhängen und mitmischen oder wo sie abseits stehen, aber denken, dass dort mit Korruptionsbekämpfung nichts zu gewinnen ist.

Manchmal ist es auch so, dass sich die Parteien aufgrund von Strömungen unter ihren Anhängern auf eine Position eingeschworen haben, von der sie selbst wissen, dass sie unvernünftig ist, in die sie sich aber trotzdem verrannt haben. Und von dort kommen sie nun nicht mehr weg.

Das ist schade. Diese Themenbereiche werden dann nämlich von allen vernachlässigt. Es findet sich in der ganzen Politik niemand, der die Aufgaben dort mit Vernunft, Augenmaß, Sparsamkeit und strategischer Weitsicht angeht. Das Resultat sind immer mehr Fässer ohne Boden, in die das Geld der Steuerzahler in großen Mengen rinnt und aus denen viel zu wenig Gegenleistung für die Gesellschaft herauskommt.

Die Politik kann mit dieser Form der Korruption sehr gut leben, denn alle profitieren davon (jeder von seinen eigenen Pfründen). Die Medien leider auch. Ihre Kritik bleibt an der Oberfläche und springt nur dann auf, wenn der Skandal so groß ist, dass er von der einen oder anderen Gruppe für einen politischen Paukenschlag und Stimmungswechsel ausgenutzt werden kann.

Auf die objektive Größe des Schadens kommt es dabei leider nicht an, sondern nur auf die Darstellungsform in der Öffentlichkeit. Und wo die Öffentlichkeit eine positive „Vorspannung“ zu einer Institution hat, kann sich diese beliebig viel Korruption und Misswirtschaft erlauben, und es wird zugedeckt.

Das wäre noch kein großes Problem, denn schließlich sind die Parteien dazu da, um – jede auf ihre Weise – parteiisch zu sein.

Und über die Parteien hinaus sollte ein Staat ja schließlich unabhängige, gut funktionierende Institutionen haben, die allgemein die Interessen der Staatsbürger und der Steuerzahler vertreten.

Leider zeigt sich aber, dass viele dieser Institutionen keinen Biß haben und nicht wirklich im Interesse der Steuerzahler arbeiten. Es fehlt an Klugheit, an Interesse, an der gesetzlichen Grundlage und/oder an Integrität.

Das Ergebnis ist, dass die Korruption wuchert. Immer mehr Steuergeld wird mit immer weniger positivem Effekt für die Volkswirtschaft ausgegeben. Die aktuelle Inflation, die hohen Energiepreise und die sich verschlechternde Sicherheitslage sind teilweise Ergebnisse von falscher Politik und fehlenden Kontrollen.

Und der größte Anteil an Korruption und Misswirtschaft läuft dort, wo es viele Profiteure (Politik und Medien) gibt und der Staatsbürger und Steuerzahler die Zeche zahlt und absolut niemand an sachlicher Aufklärung interessiert ist, weil das einfach „kein Parteienthema“ ist. In Bereichen, wo alle Parteien ein bisserl drinhängen, entweder weil sie unmittelbar von der Misswirtschaft profitieren oder weil die Misswirtschaft eigentlich Wählerkauf ist und sie die Wählerstimmen behalten oder nicht verlieren wollen, wird nichts aufgeklärt.

Die Kontrollinstitutionen Rechnungshof, WKStA und Finanzprokuratur versagen seltsamerweise dort am meisten, wo es um den tatsächlichen Schutz der Steuerzahler und Staatsbürger geht. Die Steuerzahler wollen möglichst wenig Geld abliefern und die Staatsbürger wollen vom Staat gute, qualitativ hochwertige Leistungen. Zwischen dem abgegebenen Steuergeld und der erhaltenen Leistung steht aber leider jede Menge Misswirtschaft und Korruption, und die Kontrollinstitutionen sehen weg und wollen das nicht wahrhaben.