Bevor ich tiefer in die Details der von mir kritisierten Korruption einsteige, möchte ich meine Motivation und die künftige Agenda dieses Blogs darlegen.
In meiner Rolle als Software-Entwickler habe ich um den Staat zunächst einen großen Bogen gemacht. Dass der Staat in seinen eigenen Aufgaben manchmal korrupt, aber fast immer extrem ineffizient arbeitet, war mir bewusst. Den Steuerzahlern wird viel Geld für schlechte Leistung aus der Tasche gezogen.
Zwei Ereignisse haben allerdings dazu geführt, dass mich die Korruption nun unmittelbar in meiner Arbeit betrifft und dass ich mich entschlossen habe, Schritte zu ihrer Bekämpfung zu unternehmen: Dass mir die WESTbahn die Möglichkeit gegeben hat, eine moderne und zukunftsweisende Fahrkartentechnologie umzusetzen, und dass die ÖBB und das Verkehrsministerium sich seit mehr als 10 Jahren weigern, von Technologie und Fachkompetenz Kenntnis zu nehmen.
1. Die WESTbahn
Im Jahr 2009 hat die WESTbahn die Bühne der Öffentlichkeit betreten. Weil die Datenverteilungstechnologie meiner Firma ideal für mobiles Arbeiten ist, haben wir uns um die Erstellung des Fahrkartensystems beworben und den Auftrag bekommen.
Unsere Arbeit wurde nach kurzer Zeit erfolgreich abgeliefert, die Zusammenarbeit endete 2013 und wir stehen nach wie vor in (sehr losem) freundschaftlichen Kontakt. Ich freue mich immer, wenn es von dort Erfolgsmeldungen gibt.
Diese Erfolgsmeldungen waren zu Anfang eher selten.
In der ersten Zeit hat ja der Staat mit Umorganisationen der Bahnsubventionen und verschiedenen anderen Wettbewerbsbehinderungen versucht, die WESTbahn vom Markt zu drängen. Dass es ihm nicht gelungen ist, liegt an einigen wesentlichen Punkten wie der klugen Beschaffung der Züge und dem extrem erfolgreichen Gesamtkonzept, dessen Schwerpunkt darin besteht, dass das meiste Personal für das Service der Fahrgäste bereit steht und nicht im Büro sitzen und sich mit Kundenreklamationen herumschlagen muss. Was man im Zug bereits im guten Einvernehmen klären kann oder was durch gutes Service am Zug erst gar nicht als Problem entsteht, bewirkt in der Folge keine unzufriedenen Kunden und keine Reklamationen.
Einen gewissen Anteil am Erfolg dieses Gesamtkonzepts hat auch unser Fahrkartensystem. Ab Beginn der WESTbahn war es möglich, einfach einzusteigen und zu fahren. Dass der Fahrkartenverkauf der WESTbahn von Anfang an fair zu allen war und den Fahrgästen die notwendige Flexibilität geboten hat, die man vom eigenen Auto gewohnt ist, hat sicher dazu beigetragen, dass die WESTbahn von Beginn an eine überproportional hohe Zahl von Autofahrern zum Umsteigen bewegen konnte. Unser System verhindert erfolgreich Betrug und kommt trotzdem ohne Strafen aus. Fahrkarten sind flexibel; jede Familie kann der Oma eine Fahrkarte in die Lade legen, damit sie den Enkel besuchen kann. Gilt ein Jahr lang und kann zu einem beliebigen Zeitpunkt genutzt werden. Solches Service wünscht man sich von der Bahn.
Leider kann bei der staatlichen ÖBB bis heute von vergleichbarem Kundenservice keine Rede sein.
2. Die ÖBB
Etwa zur gleichen Zeit (2009) hat die ÖBB mit einem eigenen Fahrkartenprojekt begonnen. Die Details dieses Unterfangens sind erst nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit gekommen, und das meiste, was dort schiefgelaufen ist, ist der Öffentlichkeit noch immer nicht bewusst.
Exponiert haben sich rundherum die üblichen Protagonisten. Der Meister der Korruptionsaufdeckung Peter Pilz hat mit Anzeigen um sich geworfen, die allesamt – wie es bei ihm üblich ist – nicht dem Aufbau von guten, funktionierenden Strukturen dienen, sondern der eigenen Profilierung und dem Abschießen von Projekten des politischen Gegners. Den Splitter im Auge des Gegners zu sehen, aber nicht den Balken im eigenen, ist Methode. Dass er nun auf dem Weg in den Urlaub mit der ÖBB in Judenburg stecken geblieben ist, sei ihm herzlich vergönnt. Er erntet damit (obwohl er das nicht verstehen will) die Früchte seiner langjährigen subversiven und destruktiven Arbeit, die zur Korruption mehr beigetragen hat als sie diese bekämpft hat.
Denn die Kritikpunkte, die er an die ÖBB richtet und die viele im linken Lager auf „zuwenig Geld“ zurückführen (Toiletten, Überlastung und schlechte Qualität der Züge, Verspätungen) sind alles Punkte, die der Gründer der WESTbahn, Stefan Wehinger, bereits in seiner Zeit als ÖBB-Personenverkehrsvorstand erkannt und in Angriff genommen hatte. Seine Konzepte waren gut, wie die spätere erfolgreiche Umsetzung bei der WESTbahn zeigt.
Bei der ÖBB wurde allerdings 2010 mit Christian Kern ein Hoffnungsträger der Sozialdemokratie als Chef installiert, der für höhere Weihen vorgesehen war. Die aktuelle Phase der Probleme der ÖBB hat damit begonnen.
Insbesondere das von Stefan Wehinger vorgegebene gute Fahrkartenkonzept, das von der ÖBB völlig vermurkst wurde, ist zu einem Riesenkorruptionsfall geworden, der bis heute auf die Aufdeckung wartet. Fünf geschlagene Jahre lang, von 2010 bis 2015, haben Christian Kern und sein Team versucht, das Konzept umzusetzen, haben es dabei aber völlig an Kompetenz, Vernunft und Offenheit fehlen lassen. Was mein Team bei der WESTbahn in etwas mehr als einem Jahr auf den Boden gebracht hat (zugegeben nur für eine Linie, ein nationaler Carrier ist eine andere Dimension), hat die ÖBB mit dem fünfzigfachen Budget in fünf Jahren nicht geschafft.
Im Jahr 2015 wurde, vielleicht angesichts drohender Rechnungshofprüfungen, intern der Kurswechsel endgültig vollzogen. Christian Kern wurde im Folgejahr Bundeskanzler. Die ÖBB erhielt eine neue Führung, die aus dem Inneren des Betriebs kam. Das ursprüngliche Fahrkartenkonzept wurde endgültig aufgegeben. Was die ÖBB bis heute hat, ist eine fachliche Katastrophe. Bis heute laufen die Beschwerden bei der ÖBB und bei der Schienen-Control bzw. der Agentur für Fahrgastrechte auf. Bis heute interessiert dies im Verkehrsministerium niemanden.
3. Die Nachwirkungen
Die Probleme der ÖBB gehen natürlich weit über das Fahrkartenwesen hinaus. Aber die fehlende Kompetenz der ÖBB und des Verkehrsministeriums im Fahrkartenwesen ist ein Schlüsselfaktor, der im Hintergrund als Ursache vieler anderer Probleme nach wie vor wirkt.
Diese Probleme haben zu den Verwerfungen mit dem Klimaticket geführt. Sie sind gemeinsam mit einer viel zu stark auf die „Young Urban Professionals“ fokussierten Politik der Grünen ursächlich für die aktuelle Krise der Bahn.
Obwohl die ÖBB und der öffentliche Verkehr insgesamt vom Staat immer mehr Geld bekommen (zu den € 17 Milliarden des Sechs-Jahre-Programms der Bundesregierung sollen jetzt weitere € 26 Milliarden für das „Zielnetz 2040“ in die Bahninfrastruktur gesteckt werden, und all das ist zusätzlich zu den bereits zuvor laufenden Milliardensubventionen), ist für den Endkonsumenten, besonders für die Gelegenheitsfahrer und die vielen Pendler, nur wenig drin.
Leider wird es nichts nützen, wenn nun viele von den Grünen Enttäuschte wieder zur SPÖ wechseln. Denn dass das Klimaticket für die Bahn zu einer ziemlichen Katastrophe geworden ist, hat seine tiefere Ursache in den korrupten Strukturen und in der massiven Misswirtschaft, die in der Bahn seit vielen Jahren herrschen und die den Grünen praktisch keine Alternative gelassen haben, als das Klimaticket zu billig und zu pauschaliert einzuführen.
Der tiefere Grund des Problems liegt darin, dass die ÖBB und nun auch die One Mobility die Einzelfahrt nicht gut abwickeln können. Solange dieses Problem nicht öffentlich anerkannt wird und die im Hintergrund laufende Korruption in der ÖBB und im Verkehrsministerium nicht abgestellt wird, wird sich die Situation nicht verbessern, und der Steuerzahler wird immer mehr Geld in immer schlechtere Leistung stecken.
Peter Pilz hat die Frage gestellt, ob sich die ÖBB in Richtung Schweizer Bahn bewegt oder in Richtung Deutsche Bahn. Die Antwort ist zweigeteilt: Was die staatlichen Subventionen anlangt, sind wir in Richtung Schweizer Bahn unterwegs (sehr hoch), was die abgelieferte Leistung anlangt, in Richtung Deutsche Bahn (sehr niedrig).
Aber alle drei großen Bahnen im deutschsprachigen Raum übersehen derzeit die wichtigste Entwicklung: Dass sich die Bahnen nicht für Kooperationsformen im ländlichen Raum stark machen (Zubringer, Lokalverkehr) wird ihnen im nächsten Jahrzehnt noch schwer auf den Kopf fallen. Denn wenn auch die Elektroautos in die Kritik geraten sind, weil sie für lange Strecken nicht zuverlässig genug sind (Wolfgang Mückstein lässt grüßen), wird das Zusammenspiel von autonomen Fahrzeugen und guten Algorithmen den Zubringerverkehr revolutionieren. Die staatlichen Bahnen sind dafür denkbar schlecht gerüstet.
4. Der Korruptionshintergrund
Das Korruptionsproblem bei der ÖBB und im Verkehrsministerium ist auf eine weit verbreitete Korruptionsform im Bereich der Verwaltung und mancher politischer Personen zurückzuführen. Die Akteure nehmen zwar für sich in Anspruch, dass sie ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen (sie behaupten das), sie verhalten sich aber abweisend und stellen sich dumm gegenüber den Entwicklungen in der Gesellschaft, in der Wissenschaft und Technik.
In der modernen Zeit kann ein Beamter oder ein Politiker einfach nicht mehr alles verstehen und beurteilen, was der technische Fortschritt bereit hält. Das macht auch nichts, denn er kann sich bei Experten informieren.
Die Korruption liegt allerdings in der Auswahl der (Nicht-)Experten. Die „Initiaitive Bessere Verwaltung“ und auch der Leiter der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn führen das Problem darauf zurück, dass die Ministerien zunehmend von politisch besetzten Beamten geführt werden, die nicht aus dem Fach des Ministeriums kommen. Sogenannte Netzwerke von außen seien das Problem.
Das mag stimmen, ist aber nur ein kleiner Teil der Ursache. Dieses Erklärmodell setzt nur auf eine Achse des mehrdimensionalen Problems. Es stimmt, wer inkompetent ist, ist ein schlechter Beamter. Aber es gibt noch einige weitere Dimensionen, die zum Problem beitragen: Ein Beamter oder Politiker, der sich weigert, fachliche Informationen zum Problem von außen anzunehmen, oder der dies aus Angst um den eigenen Posten oder aus ideologischer Verblendung nicht tut, richtet viel mehr Schaden an als ein inkompetenter. Die Idee, die hinter der „Initiative Bessere Verwaltung“ steckt, dass ein fachlich besser qualifizierter Beamter automatisch auch ethisch korrekter und fleißiger ist, möchte ich mit dem Hintergrund des Verhaltens, das ich von Seiten des Verkehrs- und auch des Justizministeriums erlebt habe, jedenfalls in Frage stellen.
Die Korruption ist nach meinem Eindruck zum Hauptteil auf gewolltes Wegsehen zurückzuführen. Die Verwaltung schottet sich dort, wo sie sich bedrängt fühlt, von der Öffentlichkeit ab, verschließt sich gegenüber fachlichen Diskussionen und führt ein Eigenleben. Der Effekt ist der Ausschluß jeden Wettbewerbs, wie er von den europäischen Staaten in den Gründungsverträgen der EU eigentlich vorgesehen und eingefordert ist.
5. Die WKStA
Diese Form der Korruption, der mangelnde Wettbewerb der Ideen und Lösungen in Sachfragen, richtet in Österreich bei weitem den größten Schaden an. Sie ist deshalb so verbreitet, weil sie von Interessengruppen betrieben wird, die den Wettbewerb zwar in der Öffentlichkeit im Munde führen, aber in Wahrheit ungestört ihre eigenen Seilschaften pflegen wollen.
Es gibt eine Stelle in Österreich, die sich für diese Form von Korruption am allerwenigsten interessiert: Die Justiz, konkret die WKStA und die oberstaatsanwaltschaftliche Hierarchie im Justizministerium. Noch nie seit ihrem Bestehen hat die WKStA diese systematische Korruption, diesen systematischen Ausschluss des Wettbewerbs bekämpft. Wenn die WKStA irgendwo Misswirtschaft anklagt, dann ist dies immer auf eine konkrete Anzeige und auf Medienarbeit des politischen Gegners zurückzuführen.
Gegenüber dem einfachen Staatsbürger, der von dieser Korruption schwer betroffen ist, verhält sich die WKStA selbst absolut rechtswidrig. Obwohl die Verfassung, die EU-Verträge und speziell das Wettbewerbsrecht einen gleichwertigen Zugang aller Staatsbürger zu staatlichen Posten und staatlichen Aufgaben und Aufträgen fordern, setzt sich die WKStA schwer ins Unrecht, indem sie ganz offensichtlich sehr selektiv entscheidet, welche Verdachtsfälle sie aufgreift und welche nicht, und dieses offensichtlich gleichheitswidrige und europarechtswidrige (Transparenzgebot im Wettbewerbsrecht) selektive Enforcement weder begründet noch rechtfertigt. Im Gegenteil unternimmt das ganze Justizministerium alles, um nur ja keinen Pieps einer inhaltlichen Beurteilung eines angezeigten Falls abzugeben.
Der Gipfel der Pflanzerei des Steuerzahlers ist es dann, wenn sich die Leiterin der WKStA in die „Pressestunde“ im ORF setzt und dort frech die Öffentlichkeit anlügt und behauptet, es würden alle Entscheidungen ihrer Behörde gerichtlich überprüft. Das Gegenteil ist der Fall: Die WKStA hat sich mit ordentlich politischer Unterstützung von jeder Kontrolle freigespielt, sie ist die einzige Institution im Staat, die nicht von anderen kontrolliert wird. Alle Versuche einer inhaltlichen Kontrolle hat die WKStA damit beantwortet, ihrerseits strafrechtlich gegen die Störer vorzugehen. Damit stellt sie sicher, dass ihr beim selektiven Enforcement niemand dreinreden kann und dass sie weiterhin bei völligen Bagatellfällen Einzelpersonen vernichten kann, hingegen bei Misswirtschaft im Ausmaß von hunderten Millionen Euro über die ideologisch befreundete staatliche Verwaltung den Schutzschirm des Nicht-Verstehen-Wollens spannen kann.