Sehr geehrter Bundesminister Dr. Martin Kocher!
Zum Besetzungsstreit um die Bundes-Wettbewerbsbehörde kenne ich weder den erstgereihten nunmehrigen Beschwerdeführer noch die zweitgereihte schließlich Ernannte.
Allerdings scheint die groß propagierte neue Ausrichtung der Behörde, sich angeblich mehr auf Marktmachtmissbrauch und weniger auf Preisabsprachen konzentrieren zu wollen, eher eine PR-Aktion denn eine ernsthaft verfolgte Strategie zu sein.
Zur tatsächlichen Bekämpfung von Korruption und Marktmachtmissbrauch in Österreich, und damit zur Durchsetzung des Wettbewerbs in Österreich, wird die Behörde voraussichtlich gar nichts beitragen, wie der folgende von mir aufgeworfene Fall zeigt.
Meine Firma TXware hat sich auf die Erstellung von Fahrkartensystemen spezialisiert. Wir haben das erfolgreiche Fahrkartensystem der WESTbahn entwickelt.
Sowohl bei der parallel begonnenen Erstellung des Fahrkartensystems der ÖBB (2009 bis 2015 und 2015 bis jetzt) als auch bei dessen Übernahme in die bundeseigene One Mobility GmbH haben die ÖBB und das Verkehrsministerium erfolgreich jeden Wettbewerb ausgeschaltet, mit dem Ergebnis, dass sie nicht nur eine völlig überteuerte und unterfunktionale Lösung bekommen haben, die in Zukunft noch viele Probleme und Kosten verursachen wird, sondern auch das europäische Unionsrecht schwer missachtet haben. Eine diesbezügliche Zivilklage ist am Wiener Landesgericht für Zivilsachen anhängig (32 Cg 28/23g). Ich werde diese auch bis zum Erfolg durch alle Instanzen weiterführen, denn die habituelle schwere Missachtung der verfassungsrechtlichen Haushaltsprinzipien (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit) und des europäischen Primärrechts (Transparenz und Wettbewerb) muss abgestellt werden. Was hilft ein Rechnungshof, dessen Berichte ungelesen oder zumindest unbeachtet in irgendwelchen Ministerialschubladen verschwinden?
Unter der neuen, öffentlich verkündeten strategischen Richtung der BWB müsste auch der damit verbundene Missbrauch der Marktmacht durch ÖBB und Verkehrsministerium ein Anliegen sein.
Die BWB scheint ihrer neuen Ausrichtung jedoch intellektuell nicht ganz gewachsen zu sein, wie Sie einem vorhergehenden Blog-Beitrag dazu entnehmen können („Intellektuelles aus der Bundes-Wettbewerbsbehörde“).
Es stellt sich jedenfalls die Frage, wieso man den Erstgereihten wegen angeblicher Rechtsverweigerung und Missachtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ablehnt, wenn genau dasselbe Verhalten von der Bundeswettbewerbsbehörde doch, wie dieser Fall zeigt, ohnehin zu erwarten ist, ganz unabhängig von deren Leitung, weil in Österreich ganz offensichtlich das Verkehrsministerium und die ÖBB vom Vollzug der Gesetze ausgenommen sind.
Wenn sich in Österreich eine einzelne Stelle weigert, auf fachliche Argumente und einen technischen Systemvergleich einzugehen, mag man dies als Lapsus, als unbeabsichtigte Fehlentscheidung oder als zeitsparendes Fehlverhalten unter dem Druck der Aufgabenlast rechtfertigen.
Wenn sich aber alle Institutionen, angefangen von der ÖBB über das Verkehrsministerium, die diversen regulatorischen Stellen und den Rechnungshof bis hin zur WKStA und nun auch die BWB durchgehend weigern, sich mit einem Sachverhalt inhaltlich auch nur minimal zu befassen, obwohl der Schaden dokumentiert ist (zwei Rechnungshofberichte) und ständig weiter wächst, die Fehler nicht korrigiert wurden, die Konsumenten systematisch missachtet werden und das einzige erfolgreiche Konkurrenzsystem vom Wettbewerb ausgeschlossen wird, tut man sich schwer, das nicht korruptiv zu nennen. Hier richten sich’s manche auf Kosten der Allgemeinheit.
Der praktische Erfolg unserer Fahrkartentechnologie bei der WESTbahn ist seit mehr als 10 Jahren unbestritten, ebenso der Fehlschlag der ÖBB, eine ähnliche Technologie in der Ära Kern selbst zu entwickeln. Die Ablehnung auch nur irgendeines inhaltlichen Austauschs durch ÖBB und Verkehrsministerium sind dokumentiert. Die seit mehr als 10 Jahren bei Schienen-Control und Agentur für Fahrgastrechte auflaufenden Beschwerden ebenso. Die Kosten des ÖBB-Debakels finden sich in zwei Rechnungshofberichten (Herstellungskosten und anhaltend zu hohe Vertriebskosten).
Die Vorgangsweise des Verkehrsministeriums widerspricht nicht zuletzt den Zielen im One-Mobility-Gesetzesantrag.
Auch die nun zutage tretenden Schwächen des Klimatickets (Überlastung der Züge wegen der Null-Grenzkosten einer einzelnen Fahrt), auf die der WU-Professor Sebastian Kummer am 22. 12. 2023 in der „Presse“ hingewiesen hat, lassen sich letztlich auf die Unfähigkeit der ÖBB zurückführen, Einzelfahrten in Echtzeit zu erfassen und mit subventionierten barrierefreien Einzelfahrten den Gelegenheitsfahrern nutzbare Alternativen zum Auto zu geben. Unter diesen Begleitumständen sind die Grünen auf ein pauschaliertes Ticket umgestiegen, und unter den Folgen leiden gerade tausende Pendler und Gelegenheits-Bahnreisende.
Leider haben sich die Grünen entschlossen, bei dieser gegebenen Situation nicht die ÖBB zu verbessern (da traut sich niemand drüber), sondern ihren Wählern mit dem Klimaticket ein Wahlzuckerl zu machen, an dessen Folgen die Steuerzahler noch schwer zu tragen haben werden. Ein vernünftiges Mittelmaß aus etwas teurerem Pauschalticket und preislich wie logistisch günstigen Einzelfahrten lässt sich eben nicht realisieren, ohne die in der ÖBB seit 15 Jahren herrschende Misswirtschaft zu thematisieren.
Dass die Grünen dies nicht von sich aus wollen, ist die eine Sache. Dass sie aber auch bei entsprechend detaillierten Anzeigen jede Aufklärung im Verkehrs- wie auch im Justizministerium blockieren, ist rechtsstaatlich nicht vertretbar.
Die Grünen in Österreichs Regierung fügen sich perfekt ins traditionelle System des Zudeckens zulasten des Marktes und der Konsumenten ein – so wird das nichts mit der Innovation in Österreich!